27. Mai 2020 – Zum Anhören und Mitlesen
Kleine grüne Blättchen treibt er aus. Wie ich mich freue. Meinem kleinen Olivenbäumchen im Garten schenke ich besondere Aufmerksamkeit. Nicht, weil er mir einmal prächtige Oliven bringen soll oder gar als Olivenölspender gezüchtet wird. Nein.
Er ist mir ein Erinnerer und lässt mich immer wieder für einen Augenblick abtauchen. Dorthin nämlich, wo ich die wirklichen Olivenbäume gesehen habe. Ich denke an unsere gemeindliche Reise auf den Spuren des Apostels Paulus in Griechenland. An unzähligen Olivenhainen sind wir vorbeigefahren, hatten noch lange das mitgebrachte Olivenöl als Erinnerungsgeschmack. Auch auf unserer eigentlich geplanten ökumenischen Reise nach Jordanien hätten wir sie in diesem Sommer wieder gesehen, die Olivenbaumhaine.
Ein Ort aber ist mir persönlich ein eindrücklichster und auch inhaltsbedeutender Olivenbaum-Ort. Wenn man den Weg von Jerusalem nach Betanien geht kommt man durch das Kidron Tal, einem Bachtal zwischen dem Tempelberg im Westen und dem Ölberg im Osten von Jerusalem. Eine Plantage von Olivenbäumen ist dieses ganze Tal. Hier stehen sie, diese wahren Überlebenskünstler auf kargem Boden. Langsam wachsen sie, und bilden hartes Holz. Wir kennen es von schönem Schnitzwerk, auch von den Weihnachtsbaumanhängern. Sie werden alt, hunderte, bis zu tausende Jahre sind für Olivenbäume keine Seltenheit. Und im Allgemeinen gilt zudem die Regel: „Je krummer und knorriger, desto besser der Ertrag.“
Die Oliven kann man essen aber vor allem sind die Steine dieser Früchte begehrt. Wenn man sie unter hohem Druck kalt auspresst, erhält man kostbares Olivenöl. Direkt in der Plantage am Fuße des Ölbergs gab es deshalb auch eine Ölmühle beziehungsweise Ölpresse. Nach ihr war der ganze Olivenhain benannt worden: Gethsemane, zu Deutsch Ölpresse.
Morgen werden wir in der Andacht Gedanken über Ereignisse in diesem Ölberg hören. An Orte erinnert mit mein Olivenbäumchen. Ich reise in Gedanken bei seinem Anblick immer wieder dorthin. Seine Zweige erinnern mich auch an eine symbolträchtige Geschichte. Die Taube kommt wieder zu Noah zurück auf die Arche, sie trägt einen Olivenbaumzweig im Schnabel. So weiß Noah: bald ist da wieder im wahrsten Sinne des Wortes „Land in Sicht“, so dass seine Familie und alle Tiere wieder ihr normales Leben aufnehmen können. Damit steht der Olivenbaumzweig bis heute für die Hoffnung auf neues Leben, auf Frieden und Versöhnung.
Mein Olivenbäumchen. – Es ermutigt mich, zu Durchhaltevermögen und Beständigkeit. Das Zutrauen zu behalten, dass aus Krummem und Bitterem etwas Gutes werden kann. Und dem neuen Leben, dem Frieden und der Versöhnung zu vertrauen.
Denn so heißt es in Psalm 53:
Ich werde bleiben wie ein grünender Ölbaum im Hause Gottes; ich verlasse mich auf Gottes Güte immer und ewig.
Pfarrerin Anette Simojoki
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