Die Veranstaltung muss leider verschoben werden und kann nicht wie geplant am 23. Oktober 2020 stattfinden. Wir informieren Sie rechtzeitig über den möglichen Nachholtermin.
Referentin: Dr. Jutta Koslowski, Autorin und Dozentin, Uni Mainz, Fachbereich Theologie, Ökumene und christlich-jüdischer Dialog
Bei der Lesung erleben die Zuhörer hautnah Dietrich Bonhoeffers Kindertage als auch seine späteren Jahre als Theologe und Widerstandskämpfer mit. Aus den Aufzeichnungen von Bonhoeffers jüngerer Schwester Susanne hat die Autorin einzigartiges Buch von hohem zeitgeschichtlichem Wert geschrieben in dem die Szenen wie ein Film vor dem inneren Auge des Lesers ablaufen und sich ein Gefühl bei Familie Bonhoeffer mit am Tisch zu sitzen.
Das Buch endet jedoch nicht mit dem Tod Bonhoeffers im April 1945, sondern schildert auch den von tiefer Versöhnungsbereitschaft geprägten Umgang der Familie mit dem Erlebten.
Das Gedenken an Dietrich Bonhoeffer steht in diesem Jahr, 75 Jahre nach seiner Ermordung im KZ Flossenbürg an zentraler Stelle der (online) Gemeindearbeit der Erlöserkirche Bamberg.
Am 3. August hatte unser Kirchenvorstand Holger Matthes die Gelegenheit, die KZ-Gedenkstätte in Flossenbürg zu besuchen und mit den beiden Mitarbeitern der Bildungsabteilung, Johannes Lauer und Matthias Rittner, ein Interview an einem ganz besonderen Ort zu führen.
Nicole Hermannsdörfer, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Coburg, Lehrbeauftragte für Systematische Theologie an der Uni Bamberg im Interview mit Pfarrer Thomas Braun.
Ich glaube… an was eigentlich? Oder an wen? Und wie kann ich das ausdrücken?
Wenn man sich mit anderen Menschen über diese Fragen austauscht, ist schnell klar: es gibt keine einfache und schon gar keine identische Antwort. Jeder und Jede von uns setzt andere Schwerpunkte. Jeder und Jedem von uns ist anderes im gemeinsamen christlichen Glauben wichtig. Aufzuschreiben, woran wir glauben, bedeutet daher viel Arbeit, viel Diskutieren und vielleicht sogar Streit. Aber trotz unserer Glaubensvielfalt gibt es sie. Die Glaubens-Texte, die uns vereinen. Die Glaubensbekenntnisse von anderen Menschen, die sehr gut ausdrücken, was auch ich persönlich glaube. Texte, an die ich mich dranhängen kann, die ich mitsprechen kann.
Besonders berührend sind für mich Glaubensbekenntnisse, die nur von einem einzelnen Menschen geschrieben wurden. In ihnen wird eine ganz persönliche Sichtweise auf Gott und die Welt in wenigen Worten komprimiert.
1943, bereits im Gefängnis, schrieb auch Dietrich Bonhoeffer ein Glaubensbekenntnis. Sein Glaubensbekenntnis. Dieser Text beeindruckt mich immer wieder durch die Zuversicht und das Gottvertrauen, das darin ausgedrückt wird. Und ich kann mich darin wiederfinden mit dem, was ich glaube.
Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.
Dietrich Bonhoeffer, Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte, in: Widerstand und Ergebung, Prolog
Das tat weh. Unsere Erlöserkirche ist täglich von früh bis spät geöffnet. Wir kennen daher aufgebrochene Spendenbüchsen. Das gehört dazu. Aber als diese Tafel da in Scherben lag. Das tat weh.
Sie hängt hinten im Eingangsbereich der Kirche. Die Bilder der Ausstellung sind anhand des Lebens von Dietrich Bonhoeffers geordnet. Damit ist sie die letzte. Sie trägt das Todesdatum Dietrich Bonhoeffers: 9.4.1945. Und einen Namen: Maria. Scherben. Zerstörtes. Am Boden liegend.
Maria von Wedemeyer
Als gerade einmal 19-Jährige hatte sie sich im Januar 1943 mit dem großen Theologen verlobt – und musste ihn doch bald hergeben: Denn wenige Monate nach der Verlobung wurde Bonhoeffer verhaftet. „Nun ist das unvorstellbar Große und Beglückende einfach da und das Herz tut sich auf.“ So hat Dietrich Bonhoeffer brieflich auf seine Frage, ob Maria seine Frau werden würde geantwortet. Sie hatte „Ja“ gesagt.
Doch ein gemeinsames Leben in Freiheit blieb ihnen verwehrt. Einzig über die in die Gestapo-Zelle geschmuggelten Briefe und kurze Besuchszeiten konnten sie ihre Liebe leben.
Über ihren Verlobten sagte sie: »Gott war seine große Liebe. Dieser unbegreifliche, verborgene Gott, dessen Tun er selbst nicht verstand.« Sie malte sich ihre Hochzeitsfeier aus. Der Trauspruch sollte Psalm 103 sein: »Lobe den Herren, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.«
Als sie im April 1945 von seiner Verlegung in das KZ Flossenbürg erfuhr, machte sie sich noch einmal auf den Weg, ihn dort zu sehen. Doch nach einer beschwerlichen Reise durch das kriegszerrüttete Deutschland wird sie an der Pforte des KZs abgewiesen. Alles, was sie noch in Händen hatte, war Bonhoeffers letzter Brief an sie vom Dezember 1944. Er sollte zum Abschiedsbrief werden. Darin schreibt er: »Du darfst nicht denken, ich sei unglücklich. Was heißt denn glücklich und unglücklich? Es hängt ja sowenig von den Umständen ab, sondern eigentlich nur von dem, was im Menschen vorgeht.«
Nach dem Krieg begann Maria von Wedemeyer eine Karriere als Computerspezialistin in Amerika. Zwei Ehen scheiterten. Sie starb 53-jährig.
Die Tafel in unserer Kirche ist restauriert. Sie hängt wieder. Zerkratzspuren sind geblieben.
Kaum ein anderer Text geht so stark ans Herz … verfasst am 19. Dezember 1944 im Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin als Weihnachtsgruß an die Verlobte Dietrich Bonhoeffers Maria von Wedemeyer und die beiden Familien. Dietrich Bonhoeffer wusste, was ihn erwartet. Trotzdem ist das Gedicht voller Trost, Zuversicht und Hoffnung:
„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar ...“
Von den zwei Vertonungen, die ins Evangelische Gesangbuch übernommen wurden (EG 65 und 637), strahlt vor allem die Vertonung von Otto Abel aus dem Jahr 1959 eine besondere Tiefe und Kraft aus.
An der vorliegenden Aufnahme beteiligten sich die beiden Chöre der Erlösergemeinde: Der Kantatenchor und der Posaunenchor sowie einzelne Chorsolisten. Jede Strophe wurde einzeln in unterschiedlichen Besetzungen und an unterschiedlichen Orten aufgenommen.
Herzliche Einladung zu diesem musikalischen Gebet:
1. Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
2. Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
3. Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
4. Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
5. Laß warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
6. Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.
7. Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
John Young, Bonhoeffer in Harlem, Tafel Nr. 10 „Thrush“ (Drossel)
Melodiös ist ihr Gesang. Wer darauf achtet, kann die Drossel singen hören: im Garten, von den Bäumen und Dächern, früh am Morgen, aber auch am Abend, sogar nachts.
Das Bild einer Drossel ist in unserer Erlöserkirche. Auf der vorletzten Tafel der Ausstellung zu Dietrich Bonhoeffer sieht man hinter der Drossel Kasernengebäude, ein Fensterkreuz schemenhaft – oder sind es Gitterstäbe?
Aufgrund seiner Teilnahme am Widerstand gegen Hitler, der das Ziel hatte, den Diktator wenn nötig auch gewaltsam zu stürzen, wurde Dietrich Bonhoeffer im April 1943 von der Gestapo verhaftet. „Widerstand und Ergebung“, unter diesem Titel sind seine Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft veröffentlicht, Gedanken, die bis heute Menschen inspirieren. Unser Christsein wird heute, so schreibt er, nur in zweierlei bestehen: Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.
Der Weg als Christ und Christin in der Nachfolge Jesu heißt, sich nicht auf unsere wohlerworbenen Sicherheiten zu gründen, sondern ganz auf einen anderen. Aus der Liebe Gottes schöpfen und Liebe tun. In Dietrich Bonhoeffer begegnet uns ein Glaubenszeuge, der in der Nachfolge Christi bereit ist zum Leiden, weil er in den Verfolgten des Regimes seine Schwestern und Brüder erkennt, und der sich in diesem Leiden mit Christus zuinnerst geborgen weiß bei Gott.
Aus den Briefen seiner langen Haftzeit spricht gerade deswegen neben dem großen Ernst eine große Gelassenheit, ein Getröstet-Sein. Er war wohl vor allem ein Mensch, der den Trost des Glaubens in sich trug, weil er geöffnet lebte für Gott und die Welt in der Gegenwart, im Licht des Erlösers sehen konnte.
So schreibt er kurz nach seiner Gefangennahme an seine Eltern: Der Morgen- und Abendchoral … klingt noch in mir nach: „Lobe den Herren, den mächtigen König … in wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet.“ So ist es, und darauf wollen wir uns weiter getrost verlassen. Nun kommt ja der Frühling mit Macht … Hier im Gefängnishof singt morgens und auch jetzt abends eine Singdrossel ganz wunderbar. Man wird für Geringes dankbar, auch das ist wohl ein Gewinn!
„Eine Drossel, die singt“, so steht es am Boden der Tafel der Ausstellung. Eine Drossel im Gefängnishof, die ganz wunderbar singt für Dietrich Bonhoeffer in seiner Zelle. Eine Drossel, die von den Bäumen und Dächern singt, am Morgen, am Abend, vielleicht sogar nachts, die ganz wunderbar singt, auch vor meinem Fenster.
Im Gebet spricht jeder Mensch seine ganz eigene Sprache - jede und jeder einzelne hat einen ganz eigenen Tonfall, einen ganz eigenen Umgangston im Gespräch mit unserem Gott. Unser Gesangbuch ist eine wunderbare Fundgrube für den Reichtum und die Vielfalt dessen, was wir ‚Gebet‘ nennen.
Dietrich Bonhoeffer beschreibt es so: „Die Kraft des Menschen ist das Gebet. Beten ist Atemholen aus Gott; beten heißt sich Gott anvertrauen.“
Lassen wir uns mit hineinnehmen in Bonhoeffers Weise, sich Gott anzuvertrauen, so wie er sich in seinem Morgengebet aus dem Gefängnis ausdrückt:
Gott, zu dir rufe ich in der Frühe des Tages.
Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu dir,
ich kann es nicht allein.
In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht;
ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht;
ich bin kleinmütig, aber bei dir ist die Hilfe;
ich bin unruhig, aber bei dir ist der Friede;
in mir ist Bitterkeit, aber bei Dir ist die Geduld;
ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den Weg für mich.
Vater im Himmel, Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht,
Lob und Dank sei dir für den neuen Tag.
Lob und Dank sei dir für alle deine Güte und Treue in meinem vergangenen Leben.
Du hast mir viel Gutes erwiesen,
lass mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.
Du wirst mir nicht mehr auflegen, als ich tragen kann.
Du lässt deinen Kindern alle Dinge zum Besten dienen.
Herr, was dieser Tag auch bringt, dein Name sei gelobt!
Amen
Und um 19 Uhr: Ökumenischer JazzUniGottesdienst in der Erlöserkirche „Atmen:atem”.
Dieser Gottesdienst mit Gedichten zum Thema „Atem:atmen“ wird gestaltet von Prof. Dr. Iris Hermann, Neuere deutsche Literatur, und Pfarrer Thomas Braun.
Den Jazz spielen Konrad Buschhüter (Keyboards), Max Neuner (Bass) und Andreas Stieler (Trompete).
Bitte Mund-Nasen-Schutz mitnehmen. Um Spenden wird am Ausgang gebeten.