Nachtgebet

Nachtgebet – Julia Schwab

18. Juni 2020 – Zum Anhören und Mitlesen

Während meines Studiums habe ich ein Praktikum in einer charismatischen Gemeinde gemacht. Neben vielem anderen, was mir aus dieser Zeit in Erinnerung geblieben ist, hat mich vor allem die Einstellung zum Beten nachhaltig beeindruckt. Es wurde immer gebetet und überall und für alles und jeden. Wirklich! Es kam nicht selten vor, dass mitten im Satz die Aufforderung kam: lasst uns da kurz drüber beten. Und danach gings einfach weiter. Es war auch ganz normal, dass man füreinander betete. Unkompliziert, ohne große Vorbereitung, einfach so, weil es grad an der Reihe war. Und auch, wenn das für mich etwas befremdlich war, in welchen Situationen, wie oft und wofür gebetet wurde, dass dabei auch die Hand auf die Schulter dessen gelegt wurde, für den gebetet wurde: Ich fand es unglaublich schön und wohltuend, dieses füreinander beten. Und auch außerhalb dieser besonderen Gemeindeerfahrung habe ich es immer als etwas sehr Tröstliches erlebt, wenn jemand für mich gebetet hat. Wenn ich direkt dabei war, aber auch, wenn mir jemand nur sagte, dass er für mich beten würde.

Füreinander beten ist, glaube ich, eines der vornehmsten Rechte von uns Christenmenschen. Vor Gott für jemand anderen da sein, für ihn oder sie einstehen und sie oder ihn in Gottes liebende Hände zu legen. Wir sollten von diesem Recht viel öfter und viel selbstbewusster Gebrauch machen.

Ich schließ dich heute in mein Nachtgebet. Wo du auch bist, wie's immer um dich steht, mit jedem kleinsten Sterbenswörtchen.
 

Nachtgebet

T/M: Daniel Wanke, Marie-Luise Großmann, Julia Schwab, Bettina Ssymank
Arrangement: Daniel Wanke

Ich schließ' dich heute in mein Nachtgebet, ins stille Seelenruheörtchen,
wo du auch bist, wie's immer um dich steht,
mit jedem kleinsten Sterbenswörtchen.
Kann sein, du hast dein großes Glück versucht,
und bist dann tief im Pech versandet,
kann sein, du hast den ganzen Tag verflucht,
bist böse bruchgelandet.

Ich führ' dich heute in mein Nachtgebet, ins große Herzensschrittemachen,
woher du kommst, wie's mit dir weitergeht,
mit jeder Träne, jedem Lachen.
Kann sein, dein Gott funkt heute mehr als still,
wo du so sehr ein Zeichen bräuchtest,
kann sein, dass niemand dir erzählen will,
wie du die Angst verscheuchtest.

Ich stell' dich heute in mein Nachtgebet, ans warme Glaubenslagerfeuer,
wohin du treibst, worum dein Tag sich dreht',
mit Frust und Freud und Abenteuer.
Kann sein, du hast heut' schon die Welt umarmt,
mit Jubel, Trubel, Heiterkeiten,
kann sein, du hast die Finsternis verbannt,
aus allen Tageszeiten.

Ich hüll' dich heute in mein Nachtgebet, in meinen einz'gen Hoffnungsschimmer,
wovor du fliehst, wohin der Wind dich weht
mit jedem Jauchzen und Gewimmer.
Kann sein, du hast von morgen keinen Plan,
und musst die Hand vom Ruder nehmen,
kann sein, du taumelst deinen Pfad entlang
den fremden, unbequemen.

Ich schließ' dich heute in mein Nachtgebet, ins stille Seelenruheörtchen,
wo du auch bist, wie's immer um dich steht,
mit jedem kleinsten Sterbenswörtchen.

 

Julia Schwab

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