14. Juli 2020 – Dietrich-Bonhoeffer-Woche
John Young, Bonhoeffer in Harlem, Tafel Nr. 10 „Thrush“ (Drossel)
Melodiös ist ihr Gesang. Wer darauf achtet, kann die Drossel singen hören: im Garten, von den Bäumen und Dächern, früh am Morgen, aber auch am Abend, sogar nachts.
Das Bild einer Drossel ist in unserer Erlöserkirche. Auf der vorletzten Tafel der Ausstellung zu Dietrich Bonhoeffer sieht man hinter der Drossel Kasernengebäude, ein Fensterkreuz schemenhaft – oder sind es Gitterstäbe?
Aufgrund seiner Teilnahme am Widerstand gegen Hitler, der das Ziel hatte, den Diktator wenn nötig auch gewaltsam zu stürzen, wurde Dietrich Bonhoeffer im April 1943 von der Gestapo verhaftet. „Widerstand und Ergebung“, unter diesem Titel sind seine Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft veröffentlicht, Gedanken, die bis heute Menschen inspirieren. Unser Christsein wird heute, so schreibt er, nur in zweierlei bestehen: Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.
Der Weg als Christ und Christin in der Nachfolge Jesu heißt, sich nicht auf unsere wohlerworbenen Sicherheiten zu gründen, sondern ganz auf einen anderen. Aus der Liebe Gottes schöpfen und Liebe tun. In Dietrich Bonhoeffer begegnet uns ein Glaubenszeuge, der in der Nachfolge Christi bereit ist zum Leiden, weil er in den Verfolgten des Regimes seine Schwestern und Brüder erkennt, und der sich in diesem Leiden mit Christus zuinnerst geborgen weiß bei Gott.
Aus den Briefen seiner langen Haftzeit spricht gerade deswegen neben dem großen Ernst eine große Gelassenheit, ein Getröstet-Sein. Er war wohl vor allem ein Mensch, der den Trost des Glaubens in sich trug, weil er geöffnet lebte für Gott und die Welt in der Gegenwart, im Licht des Erlösers sehen konnte.
So schreibt er kurz nach seiner Gefangennahme an seine Eltern: Der Morgen- und Abendchoral … klingt noch in mir nach: „Lobe den Herren, den mächtigen König … in wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet.“ So ist es, und darauf wollen wir uns weiter getrost verlassen. Nun kommt ja der Frühling mit Macht … Hier im Gefängnishof singt morgens und auch jetzt abends eine Singdrossel ganz wunderbar. Man wird für Geringes dankbar, auch das ist wohl ein Gewinn!
„Eine Drossel, die singt“, so steht es am Boden der Tafel der Ausstellung. Eine Drossel im Gefängnishof, die ganz wunderbar singt für Dietrich Bonhoeffer in seiner Zelle. Eine Drossel, die von den Bäumen und Dächern singt, am Morgen, am Abend, vielleicht sogar nachts, die ganz wunderbar singt, auch vor meinem Fenster.
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