Gutmenschen

15. September 2020 – Zum Mitlesen und Anhören

Gutmenschen – Günther Schardt

Was ist gut?
Ist es das, was jemand tut?
Oder was er denkt,
was ihn lenkt?

Wenn jemand gestorben ist, dann heißt es:
Er war ein liebevoller Ehemann, treusorgender Vater, eben ein guter Mensch.
Wenn jemand einen anderen aus einem brennenden Haus rettet:
Ein Lebensretter – ein guter Mensch.
Wenn jemand in einen See springt und ein ertrinkendes Kind rettet:  ein guter Mensch.
 Und er bekommt die Lebensrettermedallie.
Wenn das Kind aber schwarz ist und im Mittelmeer aus einem Schlauchboot gefallen ist
Und du rettest es, dann bist du ein Gutmensch
Dann bricht ein Sturm der Entrüstung über dich los.
Noch schlimmer: Wer sich für ein Rettungsschiff einsetzt,
damit Menschen vor dem Ertrinken gerettet werden können,
der kriegt auch schon mal Morddrohungen, der Gutmensch, der!
Menschen, die sich um Flüchtlinge kümmern – Gutmenschen!
Menschen, denen es nicht egal ist, wenn wieder ein paar von denen nach Afghanistan abgeschoben werden – Gutmenschen!
Menschen, die sich für die Erhaltung der Natur einsetzen – Gutmenschen!
Menschen, die nicht weiter zuschauen wollen, wie sich das Klima immer mehr aufheizt – Gutmenschen!

Und ich merke: Ein Gutmensch, das ist anscheinend gar kein guter Mensch.
Der ist ein bisschen weltfremd, dumm und naiv.
Vielleicht auch ein wenig idealistisch,
Der blickt nicht durch, was wirklich wichtig ist in dieser Welt!
Der ist verdächtig – oder ist er gar gesteuert?
O Gutmenschen können ganz schön  gefährlich werden.

Was ist gut?
Ist es das, was jemand tut?
Oder was er denkt,
was ihn lenkt?

Wie war das denn ganz am Anfang mit der Schlange?
Hat sie nicht auch alles verdreht, so dass gut auf einmal mal nicht mehr so richtig gut war?
Ja, was ist gut?
Ist es das was mir nutzt, meinem Erfolg, meinem Ansehen, meiner Gruppe, meiner Partei, meinem Volk oder denen, die jemand für das Volk hält?
Später hat man den Sinnverdreher, der aus gut böse macht und aus böse gut
Diabolos genannt,
das heißt, der der alles durcheinanderwirft, der Verwirrung stiftet.
Der Name ist ziemlich aus der Mode gekommen.
Die Sache nicht.
Heute nennt man das Fake News oder alternative Fakten.
Oder alternative Wahrheit.
Aber was ist die Alternative zur Wahrheit?

Was ist gut?
Ist es das, was jemand tut?
Oder was er denkt,
was ihn lenkt?

Ja, was lenkt die Menschen?
Welche Gedanken stecken in den Köpfen?
Aus den Gedanken werden Worte.
Aus den Worten werden Taten.
Im Guten und im Bösen.

Da war einmal einer. Er hat zu den Menschen gesprochen.
Er fand es gut, wenn Menschen Hungrigen zu essen geben, statt sich umzudrehen und mit der Schulter zu zucken.
Er fand es gut, wenn Menschen Verdurstenden das Wasser reichen, statt es für selbst abzuzweigen.
Er fand es gut, wenn Menschen Fremde bei sich aufnehmen, statt sie abzuweisen.
Er fand es gut, wenn Menschen, die ihrer Kleidung und ihrer Ehre beraubt sind, umhüllt und respektiert werden.
Er fand es gut, wenn Kranke nicht sich selbst überlassen werden, sondern andere sic h um sie kümmern.
Er fand es gut, wenn Gefangene nicht isoliert und weiter verurteilt werden, sondern sich Menschen auch ihnen zuwenden.

Und von seinem Geist haben sich manche anstecken lassen,
manche auch nicht.
Wer Gutes tut, bekommt nicht immer Beifall,
sondern stößt auch auf Widerstand,
weil dieses Gute andere stört.
Das hat schon der Mann aus Nazareth gespürt.
Aber sollen wir deswegen das Gute nicht tun?
Oder gar nichts tun?
Oder gar das Schlechte?

Gutes denken, tun und dichten
Wird er hoffentlich in mir und dir verrichten.
 

Pfarrer i. R. Günther Schardt, Februar 2020

 

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